Großstadtverkehr in Colombo
Zu einer Zeit, als unsere Vorfahren noch als Jäger und Sammler in Germaniens Wäldern hausten, gab es in Sri Lanka zwei noch heute gebrauchte Schriften, nämlich Singhalesisch und Tamilisch, und ein Staatswesen, dass ein durchdachtes Bewässerungssystem auf die Beine brachte. In unseren schulischen Lehrplänen kam das alles nicht vor und so blieben diese asiatischen Kulturen ein blinder Fleck in meiner Wahrnehmung. Erst als alter Mann änderte sich das grundlegend.
Einen wesentlichen Anteil daran hatte vom 31.03. bis 09.04.2023 unser Reiseunternehmen mit seinem ausgewogenen und durchdachten Reiseprogramm mit den Stationen Colombo, die alte Königsstadt Anuradhapura, die Höhlentempel von Dambulla, die frühere Hauptstadt Kandy mit ihrem augenfällig hergerichteten und reichhaltigen Gemüsemarkt, der botanische Garten von Peradeniya und einem Reiseführer, der akzentfrei Deutsch sprach. Seine Fehler am Tag in unserer Sprache konnte man an einer Hand abzählen. Die ausgesuchten Hotels hatten westlichen Standard und gaben einen sehr guten Einblick in die mannigfaltigen und uns unbekannten Köstlichkeiten dieser Insel als Gaumenschmaus.
hinduistischer Tempel mit Tuk-Tuk davor
So waren die ersten Tage unserer Rundreise geprägt von religiösen Informationen und Besichtigungen, hauptsächlich über Buddhismus, ein wenig über Hinduismus. Unser Busfahrer zündete jeden Morgen vor Reiseantritt zwei Räucherstäbchen auf der Kühlerhaube seines Busses an als Dankopfer, dass ihm dieser Bus seine Tageseinnahmen ermöglichte. Mir als pingeligem Deutschen wäre es lieber gewesen, er hätte Geld in neue Wischerblätter gesteckt, denn bei den plötzlichen Platzregen schien mir seine Sicht auf Augenhöhe alles andere als verkehrssicher. Es kann durchaus sein, dass er sich dafür gar nicht zuständig fühlte und es eben als sein Karma hinnahm, wenn es zum Unfall gekommen wäre.
Danach folgte ein Szenenwechsel in die Kolonialzeit mit der von den Briten vor 160 Jahren erbauten und immer noch voll funktionsfähigen eingleisigen „Main-Line“-Zugstrecke nach Nuwara Eliya und deren ausgeklügeltem Sicherheitssystem. Erlebnisgastronomie High Tea, Dambatenne-Teemanufaktur, Elefantenfütterung im Aufzuchtgehege Udawalawe und Jeep-Safari bei Morgendämmerung im dortigen Nationalpark ließen Genießer und Natur- und Tierliebhaber voll auf ihre Kosten kommen.
Ein Schnappschuss aus dem Bus mit Seltenheitswert:
Ein Elefantenbulle mit Stoßzähnen.
Für historisch Interessierte bot das koloniale Weltkulturerbe Galle eine Erweiterung ihres Horizontes. Mir fielen dort vor allem die vielen Juweliergeschäfte auf, die nach meinem Eindruck auch problemlosen Geldwechsel ermöglichten.
Sehr gut gefallen hat mir, dass unser Reiseunternehmen das derzeitige Regierungsprogramm unterstützt, welches Frauen behutsam auf einen Rollenwechsel mit eigenen Verdienstmöglichkeiten schult, sei es bei Streetfood in Kandy oder bei Dorffrauen als Gastgeber mit ausgesuchten Rezepten aus der einheimischen Küche. Unser Reiseleiter saß übrigens dabei abseits von der Reisegruppe und leerte seinen Teller nach Landessitte mit der rechten Hand. Besteck brauchen offensichtlich nur die Touristen.
einfache Küche auf dem Land
Der Wasseranschluss ist im Freien.
Die violette Seerose ist das Wahrzeichen Sri Lankas.
Als Vase dient eine geköpfte gelbe Königskokosnuss,
deren Kokoswasser man zuvor mit Strohhalm ausgetrunken hat.
Ein Unbehagen will ich trotz aller phantastischen Eindrücke nicht verhehlen. Der Tourismus über Reisegruppen unterliegt anderen Gesetzen als der einzelne Rucksacktourist. Unserer ältester Sohn als Globetrotter begegnete in Sri Lanka der Frage nach Trinkgeld nie. Es wurde ein Preis ausgemacht und auch bezahlt. Bei den Essen unterwegs waren 10 % Service aufgeschlagen, aufgerundet auf den nächsthöheren Papiergeldschein, um sich die lästigen Kleinmünzen zu ersparen. Mir selbst begegneten Kleinmünzen in den Opferschalen der Tempel und auf dem Bazar von Kandy, wo manche Verkäufer auf ihrem sorgfältig aufgebauten Warenangebot mitten im Geld standen. Ein 500-Rupienschein war dabei eher selten, einige 100-Scheine schon häufiger. Das meiste bestand aus Münzen, 20- und 50-Rupienscheinen, gemessen an der Kaufkraft des Euros also fast nichts, gemessen am Tageseinkommen eines Lastenträgers auf dem Markt von etwa 3 000 bis 4 000 Rupien, zur Zeit etwa 9 bis 12 Euro, eine schöne Stange Geld.
Als Reisegruppentourist scheint die kleinste Trinkgeldwährung der 100-Rupienschein zu sein, oft für lächerlichste Handgriffe. Ging eine Dienstleistung über einen längeren Zeitabschnitt hinaus, wurden 500 Rupien pro Person erwartet. Eine Ausnahme davon erlebte ich bei der Toilette beim Zahntempel in Kandy. Artig bekam ich das Rausgeld ausbezahlt, das über die 20 Rupien für Einheimische hinausging. Einmal überließ der Kofferträger im Hotel das Bewachen unserer zwei Koffer vor dem Zimmer einer jungen weiblichen Putzkraft. Auf uns zu warten, war wohl unter seiner Würde. Ob sie mit ihm ihr Trinkgeld von 200 Rupien teilen musste, weil er ihr eine solche Gelegenheit ermöglichte? Ein andermal zögerte der Kofferträger, mit uns gemeinsam in den Lift zu steigen. Er ließ uns hochfahren zum Zimmer und kam dann mit dem nächsten Lift nach.
Eine dauerhafte Anschaffung fürs Reiseleben erstand ich auf dem Pettah-Markt in Colombo, einen Adapter mit rechteckigen britischen und einen mit runden indischen Anschlussbuchsen (Made in China) für je etwa 1,10 €. In Deutschland zahlt man dafür mindestens das Zehnfache, meist mehr. In jedem unserer Hotels waren beide äußerst nützlich.
Westliche Touristen, insbesondere deutsche, scheinen als reich und dumm und selbst schuld zu gelten, wenn sie sich über den Tisch ziehen lassen. Wir wollten uns bei der Ankunft in Colombo mit einem kleinen Spaziergang nach dem langen Sitzen auf der Flugreise ein wenig die Beine vertreten, als ein sehr höflicher junger Mann auftauchte und sich als Mitarbeiter unseres Hotels vorstellte, der gerade Mittagspause hatte. Er erzählte uns auf Englisch von seinen angeblichen Verwandten in Kandy, die er finanziell unterstütze. Als er aus uns herausgebracht hatte, dass wir an der Kultur des Landes interessiert seien, schlug er uns den Besuch eines buddhistischen Rituals vor, nur zwei Minuten weit weg. Wir willigten naiv ein. Die zwei Minuten dehnten sich. Weil wir ihm zu langsam zu gehen schienen, schlug er uns ein Tuk-Tuk vor, das augenblicklich auf seinen Wink hin neben uns anhielt. Wir wollten aber zu Fuß weiter. Irgendwann meinte er, dass die Veranstaltung gleich beginne und nur noch mit einem Tuk-Tuk pünktlich zu erreichen wäre. Und schon war wieder eines zur Stelle. Wir lehnten ab und wollten lieber umkehren. Er gab uns zum Abschied mit einem höflichen Bückling die Hand, stieg allein in das Tuk-Tuk und vermutlich an der nächsten Straßenbiegung wieder aus. Das buddhistische Ritual fand ohne uns statt, falls es überhaupt je existiert hatte. Einem gleichaltrigem Ehepaar ging es mit dieser Masche schlechter, sie wurden ins Museum und zu einem Juwelier geführt und nur gegen 50 € Devisen wieder ins Hotel zurückgebracht, die sie zähneknirschend bezahlten, weil sie nicht wussten, wie sie sonst wieder im Hotel angelangt wären. Ein Einzelreisender unserer Gruppe bekam von seinem angeblichen Hotelmitarbeiter ebenfalls diesen Museums- und Juwelierbesuch untergejubelt. Ein jüngeres Paar aus unserer Gruppe war resoluter. Als aus ihrer 100-Rupien-Kurz-Tour eine 10-Dollar-Tour wurde, drohten sie mit der Polizei und kamen mit 500 Rupien aus dieser Masche raus. In Kandy wiederholte sich das Spielchen mit drei angeblichen Mitarbeitern, diesmal von vornherein vergeblich, wobei einer dabei rotzfrech aufs Ganze ging und ein Cityhotel als unser Quartier nannte, womit er voll daneben lag.
Noch dreister waren die jungen Burschen beim Sigiriya-Löwenfelsen. Einer fassten mich ungeniert an, interpretierte das als Gehhilfe und wollte dafür 1 500 Rupien. „Ich bin kein Baby. Ich kann schon alleine laufen.“ Er ließ erst locker, als wir uns den nächsten drei lächerlichen Stufen näherten. Offensichtlich endete hier sein Revier. Dort unterfasste mich sofort der nächste. „Don’t touch me!“, herrschte ich ihn in scharfem Ton an. Unterwürfig zuckte er zusammen, zog sich sofort zurück und zu meiner großen Überraschung die anderen Burschen im näheren Umkreis auch. Diese aufdringlichen Fummler wissen ganz genau, dass sie niemals einen Einheimischen auf diese Weise anfassen dürfen, ohne seine Würde zu verletzen. Weiter oben, wo wirklich in der steilen Leiter zum Felsengipfel der eine oder andere um eine Unterstützung froh gewesen wäre, waren sich die Herren zu fein oder zu faul. Ich habe mir den Aufstieg angetan und gelangte schweißgebadet mit klatschnass durchtränktem Hemd oben an. Die Aussicht rundherum war diesig, also nicht gerade der Knüller. Die fein säuberlich auf gleicher Höhe in den Boden eingelassenen Ziegel sollten wohl Umrisse eines Palastes mit mehreren Gebäuden darstellen. Das kann stimmen oder auch nicht. Ruinen sehen anders aus. Lachen musste ich dort oben über eine ziemlich clevere Geschäftsidee. Einige Ziegelsteine markierten den höchsten Punkt auf dem Felsen. Jemand bot an, mit den Smartphones der Touristen diese auf jener künstlichen Anhöhe zu fotografieren. Das versprach Trinkgeld am laufenden Band.
Dass man beim Abstieg die berühmten Wolkenmädchen nicht mehr fotografieren darf, kann ich nachvollziehen. Vergleicht man sie mit früheren Bildern aus dem Internet, sind die Farben durch wohl meist ungewolltes Blitzlicht reichlich verblasst.
Beim Abstieg begegneten wir einem fliegenden Händler. Seine kleinen bunten Elefanten schienen meiner Frau ein ideales Souvenir für unsere drei Enkelkinder zu sein. Leider hatten wir uns auf Deutsch unterhalten und schon stieg der Preis von 1 000 Rupien auf 2 000. Sollten wir ihn stehen lassen und auf eine andere Gelegenheit hoffen? Gab es diese überhaupt? Unsere Reisegruppe war inzwischen weitergegangen. Lohnte es sich zu handeln? 12 € zu viel, wie wir später erfuhren, tun uns nicht weh und verschafften ihm in Windeseile einen satten zusätzlichen Tageslohn.
Reingefallen bin ich beim singhalesischen Abend des Reiseveranstalters. Das Hotel stellte zusätzlich Wein auf die Gruppentische. Ich hielt ihn zur Einladung zugehörig und öffnete den Schraubverschluss eines chilenischen Feld-Wald-Wiesen-Merlots und schenkte in meiner Umgebung ein. Als ich mich beim Kellner über diesen 27° warmen Wein beschwerte und ihn auf 18° als Serviertemperatur hinwies, teilte er mir zuerst mit, dass ich die geöffnete Flasche bezahlen müsse. Es handle sich nur um ein Sonderangebot mit 10% Ermäßigung, von welchem Ausgangspreis wusste er angeblich nicht. Er erkundigte sich und nannte umgerechnet 45 € als Preis. Ich weigerte mich zu bezahlen, wenn der Wein nicht gekühlt werde. Er brachte einen Eiskübel als Notbehelf. Auf der Rechnung standen dann umgerechnet 33 €.
Dreist fand ich es, als in Galle die beiden Reisegruppen in einen viel zu kleinen Bus gepfercht wurden. Alle Notsitze waren besetzt. Manche mussten stehen. Eingespart wurde damit ein etwa 10-minütiger Rückweg zu den beiden Reisebussen. Der Reiseleiter der anderen Gruppe erwähnte ein Trinkgeld für den Fahrer von 500 Rupien pro Person. Nach meiner Beobachtung ging der arme Kerl leer aus, weil jeder Teilnehmer heilfroh war, diese heikle Situation hinter sich zu lassen. Aus den erwarteten 16 000 Rupien, etwa 45 €, für knappe drei Minuten Fahrt wurde wohl nichts. Die restliche Zeit beanspruchte das Ein- und Aussteigen. Auf diese 8 % seines vermuteten Monatslohns wartete er also vergebens. Waren wir zu hartherzig?
Mit Reiseleiter, Fahrer und Begleiter waren wir mehr als zufrieden. Sie erhielten ihr Trinkgeld in Euro-Scheinen als einzig sicherer Hafen bei einer instabilen Währung. Tourismus kommt in Sri Lanka als Einnahmequelle an vierter Stelle und das zu Recht. Dieses Traumland hat viel zu bieten. Gastfreundschaft halte ich für ausbaufähig. Die Maßnahmen zu Covid-19 zwei Jahre lang für diesen Bereich waren sicher eine volkswirtschaftliche Katastrophe. Wie wichtig Devisen sind, merkt man besonders im Duty-Free-Shop mit westlich orientierten Preisen am Flughafen von Colombo. Rupien werden dort nicht angenommen.
Ausfuhr strengstens verboten, was den Händler wohl nicht kümmerte.