Wird der Bürger unbequem, ist er schnurstracks rechtsextrem. Damit können Regierende und ihre medialen Hofschranzen unbekümmert mit der Nazikeule auf ihn eindreschen. Wenn das nichts hilft, greift man zum Antisemitismusvorwurf. Doch diesmal war der Aufstand der Bauern offensichtlich weitgehend immun gegen diese Strategie und genoss viele Sympathien in der Bevölkerung. Die Regierungskoalition bekam Angst vor der Abwahl und dem Verlust ihrer Macht. Eine neue Strategie musste her. Wie bringt man die augenblicklichen Streikwellen medial in die zweite Reihe, wenn nicht ganz und gar aus dem Informationsfluss heraus?
Willkommen war dabei ein angebliches Geheimtreffen, wo finsterste Gestalten so Schockierendes ausheckten, dass es den von der Regierung beauftragten Spionen zwei Monate lang die Sprache verschlug, bevor sie öffentlich zu reden wagten. Wenigstens einem Berliner Theaterensemble vertrauten sie ihre erlauschten und erspähten Geheimnisse schon früher an, so dass dieses daraus ein Theaterstück erstellen konnte. Dem Theaterpublikum spielte man später vor, dass man innerhalb sieben Tagen nach der Preisgabe des Geheimnisses ohne Schlaf das Stück entwarf, probte und aufführte.
Nun darf die Kunstfreiheit natürlich etwas überzogen und auf die Spitze getrieben darstellen und damit in verdichteter Form das Wesentliche einer Botschaft gefühlsmäßig dem Publikum unterjubeln. Betroffen machte mich allerdings, dass Interviewte in den Fernsehnachrichten nach dem Theaterstück die Inszenierung mit dem wirklichen Geschehen gleichsetzten. Gab das Ausspionierte zu wenig her? Schlagworte wie Wannseekonferenz 2.0, Geheimtreffen, millionenfache Deportationen und Gefährdung der Demokratie machten die Runde.
Was heißt Geheimtreffen? Wenn ich mich mit Bekannten in einem Restaurant verabrede, ohne dies irgendwo anders öffentlich zu machen, handelt es sich dabei um ein Geheimtreffen?
Wannseekonferenz 2.0? Wenn örtliche Nähe zweier Orte ausreicht, um auch eine geistige Nähe der dort geäußerten Gesinnung herbeizufaseln, sind dann jetzt alle Potsdamer Nazis, weil sie es bisher versäumten, den Wannsee trockenzulegen?
Millionenfache Deportationen? Wie viele genau? Wohin? Arbeits- oder Konzentrationslager? Um die Ecke errichten oder nach Ruanda schicken, wohin die britische Regierung abgelehnte Asylbewerber auslagern will, oder nach Albanien, womit die italienische Regierung liebäugelt?
Gefährdung der Demokratie? Welches demokratische System ist gemeint? Akklamation des Volkes zum Willen der Regierung wie in den kommunistischen Staaten? Ist demokratisch nur, wer mich oder meinesgleichen wählt? Ganz nebenbei, im Ausland wird Deutschland zunehmend als Zweiparteienland wahrgenommen mit einer einzigen ernst zu nehmenden Oppositionspartei und den anderen halt.
Solche Schlagworte sind politisches Gedöns, halten aber niemals einer gerichtlichen Überprüfung stand. Sie wecken gezielt erwünschte Emotionen, fördern Gruppenbildung und mobilisieren Massen, der Fankurve bei einem Bundesligaspiel gleich.
„Wir sind mehr!“ rufen die Demonstranten auf der Straße und richten sich damit gegen eine Partei, die nach derzeitigen Umfragen etwa mit 22 % rechnen kann. Dass damit 78 % anders wählen, ist eine Binsenweisheit, für die man neuerdings lautstark auf die Straße gehen muss, obendrein die Regierenden glücklich macht und deshalb mit keinerlei persönlichem Risiko verbunden ist. Wenn ich auf der Straße psychischen Druck ausübe, wie mein Nachbar zu wählen hat, ist das nicht im Sinne des Grundgesetzes, das freie und geheime Wahlen vorsieht.
Lachen musste ich, als ich in den Fernsehnachrichten unseren Bundeskanzler und seine Außenministerin an der Spitze eines solchen Demonstrationszuges entdeckte. Merken die beiden denn nicht, dass sie hiermit gegen die Zustände und deren drohenden Folgen ihrer eigenen Politik demonstrierten? Grob gesehen ist die innenpolitische Lage in der allgemeinen Wahrnehmung derzeit so, dass diese Regierungskoalition Geld für die ganze Welt hat, aber nicht für die eigene Bevölkerung, der sie nur mit unsauberen Kniffs und Tricks weiteres Geld bis zur Enteignung durch die Hintertür aus der Tasche ziehen will, um ihre Luftschlösser finanziell besser aufzumöbeln. Wer dagegen aufmuckt, ist rechtsextrem und gefährdet damit die Demokratie, genauer deren Verständnis davon.
Henri Marie Dat: Don Quichotte kämpft gegen eine Schafherde
Den Vogel aber schoss der Bundeskanzler in seinem Podcast Kanzler-Kompakt ab. Dort spricht er allen Ernstes den über 20 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund Trost zu, dass sie nichts zu befürchten hätten. Glaubt er wirklich, dass diese Menschen vor Vertreibungsangst schlottern? Sieht er in seinen Albträumen Horden durch Deutschland ziehen, die mit dem Schlachtruf „Deutschland den Deutschen“ alle Restaurants mit ausländischer Küche kurz und klein schlagen, sämtliche Häuser, die diese Menschen handwerklich mit aufgebaut oder instandgesetzt haben, in die Luft sprengen, weil sie nicht von jenen hergerichtet wurden, deren Urgroßeltern schon nachweislich hier lebten? Reden ihm seine Parteistrategen diese Hirngespinste ein? Oder ist er ein neuer Don Quichotte, der pausenlos gegen vermeintliche Feinde kämpft?
Um beim Bild des Bundesligaspiels zu bleiben, wann und wie schlägt die Gegenkurve zurück? Verleumdungsklagen? Stasi 2.0! Panikstimmung der Altparteien! Angst, aus den Parlamenten und dem damit verbundenen Finanzpolster zu fliegen! Letztes Aufbäumen vor dem eigenen Untergang! Dieser vorgezogene Wahlkampf verspricht, spannend zu werden.
P.S.: Absichtlich habe ich in diesem Text auf Namen verzichtet, damit dem geneigten Leser bewusst wird, was er aus seinem persönlichen Kopfkino unhinterfragt und wertend einfügt. Diese psychologischen Mechanismen im Spiel um die Macht will ich verdeutlichen. Namen sind Schall und Rauch, politisch Handelnde austauschbare Marionetten und Sprechblasen im großen Ränkespiel der weltweiten Kapitalströme. Geld wird immer dort eingesetzt, wo man sich politisch abgesicherte Gewinne verspricht, wenn genügend Leute nach dieser Pfeife tanzen.
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