In meiner Kindheit kannte jedes Kind Jesu Erzählung vom barmherzigen Samariter, der einem unter die Räuber Gefallenen die Wunden verband und ihn einem Herbergswirt gegen Geld in Pflege gab. Sie galt mir wie selbstverständlich als Musterbeispiel gelungener Nächstenliebe, geprägt vom Gedanken des Almosens.
Heute, gut fünfundfünfzig Jahre später, habe ich ein zwiespältiges Verhältnis zu dieser Sichtweise. Mein Herz sagt, dass das Geld in der Pflege des Opfers sehr gut angelegt war. Mein Ordnungssinn schreit: „ Mit diesem Geld hätte man eine römische Kohorte mieten und das Räubernest ausrotten können!“ Mein soziales Gewissen stellt fest, dass der barmherzige Samariter naiv handelte und er dieses Geld besser in die Lebensnot der Räuber gesteckt hätte, um ihr aussichtsloses Überleben anderweitig zu sichern; denn ihre eigene Not war die eigentliche Ursache dieses sicher nicht einmaligen Überfalls.
Wohin ich auch schaue, entdecke ich heute diesen Konflikt in fast allen Notsituationen, von denen ich Kenntnis erhalte. Helfen mit Geld? Ja natürlich! Aber wie am besten?