Dass Tiere sich mit Lauten und Gesten verständigen können, daran zweifeln die Forscher nicht. Aber nur der Mensch verständigt sich durch Sprache, die neben Lautmalerei auch Strukturen einer Grammatik, einer Syntax kennt. Wann und wie sich der Mensch aus der Tierwelt durch Sprache abnabelte, liegt im Dunkel der Geschichte.
Eines scheint sicher, das menschliche Bewusstsein entwickelte sich über wiederkehrende Klänge, Gesten, Körperkontakte, gemeinsames Verständigen über Farben, Formen und Gefühle, und sich davon abkoppelnd keimten geistige Wahrnehmung, wie sie in Ritualen, Mythen, Dichtung, Liedern, Gesängen, Rhythmus, Musik und darstellender Kunst zum Ausdruck kommt, und anschauungsfreies, logisches Denken, wie es die Mathematik oder die Philosophie kennt.
Über diese Wege muss der Mensch das Göttliche erahnt und in Sprache gefasst an seine Mitmenschen weitergegeben haben. Er hat es als von außen kommend erfahren, als Offenbarung. Über Sprache entwickelte sich so die Offenbarung und damit das Bewusstsein für das über den Menschen Hinausweisende, das Ewige, das Erhabene, das Heilige, kurz die Gotteserkenntnis. Über Sprache entfaltete sich der Umgang damit in Form von Gebeten, religiösen Ritualen und Gesängen. Die Sprache vermittelte die Verbindung des geheimnisvollen Unsichtbaren, Unendlichen zum rätselhaften Sichtbaren, Endlichen und spendete damit Geborgenheit und Trost.
Die Sprache verdichtete sich zum niedergeschriebenen Wort. Alle großen Offenbarungsreligionen kennen heilige Bücher, auch das Christentum. Am treffendsten, geradezu genial, formuliert der Verfasser des Johannesevangeliums den Zusammenhang zwischen Christusglauben und Sprache gleich am Beginn seiner Schrift: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ (Johannes 1,1-5). Und weiter: „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben.“ (Joh 1,11-12).
Sein Vorwort schließt er ab mit: „ Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen. Denn das Gesetz wurde Moses gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus. Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.“ (Joh 1,16-18).
Welche Sprache! Kein Tier ist dazu fähig, nur der Mensch, das Abbild Gottes (Genesis 1,27).