Wer sich krank fühlt, geht zum Arzt oder Heilpraktiker oder greift zu Großmutters Hausrezepten. Zum Priester geht niemand. Der moderne Mensch der westlichen Welt vertraut ihm nicht. Sein Vertrauen gilt den vielen bunten Pillchen, Sälbchen und Mittelchen, die man in einem Laden namens Apotheke kaufen kann und nach einem vorgeschriebenen Ritual namens Rezept geradezu magisch anwendet. Besucher aus anderen Kontinenten und Kulturräumen schütteln darüber nur verständnislos den Kopf.
Doch der westlich geprägte Mensch hinterfragt das nicht. Krankheit ist für ihn ein Gebrechen, ein Hindernis, das ihn stört und mit allen Mitteln beseitigt gehört. Nimmt er die Störung nicht mehr wahr, sei sie behoben oder nicht, hält er sich für gesund und einsatzfähig.
Fremd ist ihm der Gedanke, dass er in sich unstimmig und in seiner Ganzheit außer Tritt geraten ist und daher einer ganzheitlichen Heilung und Genesung bedarf, die erst dann abgeschlossen ist, wenn er innerlich zur Ruhe und zum Frieden gekommen ist, sich neu ausgerichtet hat und wieder voller Schwung aus neuen Energien lebt.
Aus der Psychotherapie weiß man heute, wie entscheidend Heilung sich fördern lässt, wenn der Patient es ernsthaft will und es nicht nur ein sich selbst vorgegaukelter frommer Wunsch ist. Man muss sich anstrengen, bequeme Lebensgewohnheiten ändern, sich voll dem Heilungsprozess und sich jenen Personen anvertrauen, die diesen Genesungsweg begleiten.
Im Neuen Testament der christlichen Bibel muss sich der Blinde mit Geschrei gegen die verärgerten Schaulustigen durchsetzen (Lukas 18,39). Die heidnische Mutter lässt sich nicht durch Jesu brüske Zurückweisung einschüchtern (Markus 7,25-30).
Ob Jesus wirklich so daneben lag, wenn er bei seinen Heilungen voll auf Gottes Heilskraft vertraute? „Dein Glaube hat dir geholfen.“ (Markus 5,34).