Inzwischen dürfte jeder in seinem näheren Bekannten- und Verwandtenkreis jemanden kennen, der positiv getestet wurde, ohne dass dieser gleich dahinsiechte oder gar hinweggerafft wurde, Zeit also, sich mal wieder dem Leben etwas mehr zuzuwenden, z.B. durch einen Besuch im Café Samocca in Schwäbisch Hall, ohne Vernissage, aber mit Spezialitäten aus aller Herren Länder. Solange es Handelswege gibt und Seuchenschutz von der Prioritätenliste abgerutscht bleibt, sollte man sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.
AUGENBLICKE
Im April rückt der Crailsheimer Künstler Hjalmar Kunz einen weiteren Schwerpunkt ins Blickfeld: Neben den politischen Karikaturen und Landschaften vergangener Ausstellungen ist es nun der Mensch (m/w/d) - oft isoliert, manchmal dramatisch, nie einfach, aber immer gezeichnet oder in Öl. Besucht werden kann die Ausstellung im Café SAMOCCA im Kocherquartier Schwäbisch Halll von 1. bis 29. April (beides Freitag) täglich von 9 bis 18 Uhr, samstags 9 bis 14 Uhr, sonntags und an Feiertagen geschlossen.
Ich lasse mal den Künstler selbst zu Wort kommen:
Mara Door: Alle starren auf die nackte Brust, dabei sieht man hinten eine Darstellung der Dora Maar von Picasso. Das Bild ist relativ alt und war bereits in einer der ersten Ausstellungen mit französischer Beteiligung im Stadtmuseum zu sehen.
Rundes Lächeln: Man erkennt es auf der Datei nicht, aber das Bild selbst ist rund (ich hatte einen kreisförmigen Schnittrest Naturholz dafür verwendet). Bei Lächelmotiven spiele ich gerne mit Doppeldeutigkeit; der Betrachter soll nicht erkennen, ob reine Freude oder etwas Anderes im Spiel ist (Angst, Aggression usw.).
Bessere Hälfte: Vor allem Frontal-Portraits rücke ich gerne aus dem Zentrum (und auch aus dem Goldenen Schnitt).
Türkin: Entstand nach einer Vorzeichnung bei einem Musikfestival (vor Corona...), gemalt auf Spiegelglas. Die Fläche für die Brillengläser ist unbemalt und reflektiert dadurch den Betrachter.
Nymphe: Selten (zumindest bei mir), dass sowas klappt, aber das Bild entstand in einem einzigen Malgang. Die diesige Gegenlicht-Stimmung wollte ich bewahren und habe deswegen kein zweites Mal Hand daran gelegt.
Der Hermann Nitsch im Barockrahmen ist ein Zufallstreffer. Ich habe mir einen kleinen Kulturfrevel angewöhnt, nämlich alte scheußliche gerahmte Bilder mit neuen scheußlichen Bildern zu übermalen. In diesem Fall traf es einen österreichischen Künstler, der für sogenannte "Schüttbilder" berühmt wurde und zeitlebens ein eigenes Museum bekam. Außerdem glänzt er durch ein kraftmeierisches, pseudofaschistisches Flair, ähnlich wie Hrdlicka. Die klassische Darstellung und das üppige Drumrum dürfen also durchaus als Abrechnung verstanden werden.
Hjalmar Kunz hat nachgeliefert:
Thea: Meine erste feste Freundin; leicht festzustellen, dass die Beziehung nicht sehr harmonisch war.
Bessere Hälfte 01: Ähnliches Prinzip wie in der anderen "Besseren Hälfte": Reduzierte Farbigkeit, Gesicht aus der Mitte gerückt.
Schwäbisch Gmünd, Münster und Mariensäule: Die Farbigkeit gibt die Lichtreflexe der nächtlichen Anstrahlung wieder.
Narr: Das älteste der hier präsentierten Bilder, in gewissem Sinne eine "Übermalung": Unter der Maske mit dem Lächeln war tatsächlich erst ein trauriges Gesicht dargestellt.
Weltraum-Touristen: Als Kind hatte ich eine Schallplatte mit einer Geschichte, in der zwei Kinder nachts aus ihrem Bett direkt zum Mond schweben. Hier sieht man dazu gewissermaßen die Version für Erwachsene. Der schwarze, leere Raum eint einen figürlichen und einen abstrakten Bereich.
Wirrkopf: Ebenfalls ein formaler Gegensatz zwischen figürlich (Gesicht) und abstrakt (Haare) wie bei den Weltraum-Touristen, hier mal nicht in Öl ausgeführt, sondern in Tinte auf Pergament.
Herbst im Wohngebiet: Mich reizte die Gliederung für das extreme Langformat (wie im Bild "Nymphe") und der Schwebezustand in der Aussage: Was hält der Mensch in der Hand? Nun, der Titel lässt vermuten, dass einem jungen Herrn der Schirm vom Herbstwind umgeknickt wurde...